Der Begriff „Sustainable Finance“ – also nachhaltiges Finanzwesen – hat sich in den letzten Jahren in der öffentlichen Finanzdebatte etabliert. Darunter ist insbesondere die Verankerung von ökologischen und sozialen Belangen in den Kernbereichen der Finanzwirtschaft zu verstehen. Federführend bei der Regulierung und Umsetzung der Sustainable Finance ist die EU-Kommission mit einem eigenen Aktionsplan.

Die Begrifflichkeit

Der Aktionsplan der EU-Kommission „Financing Sustainable Growth“ befindet sich immer noch in der Definitionsfindung. Der Definitionsprozess basiert grundsätzlich auf den E(nvironment)S(ocial)G(overnance)-Kriterien. Somit bezieht sich der Begriff „Nachhaltigkeit“ nicht nur auf die Energie- und Klimazielvorgaben, sondern auch auf soziale Aspekte und Governance-Kriterien. Die Definition die sich die EU-Kommission vorgenommen hat, existiert noch zu keinem der drei Kriterien. Diese zukünftigen Kriterien müssen im EU-Parlament beschlossen werden und ersetzen dann alle vorhandenen Begrifflichkeiten „rund-um-die-Nachhaltigkeit“.

Zielvorgaben und Maßnahmen

Der EU-Aktionsplan zielt darauf ab, Kapital vermehrt in Richtung nachhaltige Investitionen zu lenken, um damit ein nachhaltiges und integratives Wachstum zu erreichen. Dieses Ziel wurde auf den Weg gebracht, um die Klima- und Energieziele der EU bis 2030 zu verwirklichen. Erste Berechnungen deuten auf jährlich 180 Milliarden Euro zusätzlicher Investitionen hin, was das heutige Volumen um ein Vielfaches übersteigt.

Inhaltlich weist der Aktionsplan der EU-Kommission folgende Zielvorgaben und Maßnahmen auf:

Zielvorgabe 1: Kapitallenkung in nachhaltige und integrative Investitionen lenken:

Maßnahme 1: EU-Klassifikationssystem („EU-Taxonomie“) für nachhaltiges Handeln, eindeutige Definition der „Nachhaltigkeit“, Richtdefinition für alle Marktteilnehmer

Maßnahme 2: Normen und Labels für nachhaltige Finanzprodukte, EU-Normen und -Labels für nachhaltige Finanzprodukte als Entscheidungshilfe für Kleinanleger

Maßnahme 3: Förderung nachhaltiger Investitionen, gebündelte EU-Investitionsförderung in nachhaltige Projekte (EU-Investmentfonds mit Haushaltsgarantie)

Maßnahme 4: Nachhaltigkeit bei der Finanzberatung, neben den Anlagezielen und der Risikofreudigkeit der Anleger sollten deren Präferenzen zur ESG-Nachhaltigkeit berücksichtigt werden.

Maßnahme 5: Nachhaltigkeitsbenchmarks, Benchmarks berücksichtigen nur selten Nachhaltigkeitsziele. Die Berechnungsmethoden sind intransparent und nicht solide.

Zielvorgabe 2: Risikomanagement

Maßnahme 6: Nachhaltigkeit in Marktanalysen und Ratings. Die Methoden von Marktanalysten und Ratingagenturen für die Bewertung der Nachhaltigkeit von Unternehmen sollten nachvollziehbarer und transparenter werden.

Maßnahme 7: Nachhaltigkeitspflichten institutioneller Anleger und Vermögensverwalter. Unklar, ob „Best Interest“ Nachhaltigkeitsaspekte umfasst. Endanleger werden nicht ausreichend über die Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsaspekten informiert.

Maßnahme 8: Aufsichtsvorschriften für Banken, Versicherungen und Pensionsfonds, Klima- und umweltrelevante Risiken in den Aufsichtsvorschriften „besser berücksichtigen“, ohne die risikobasierte Art der EU-Aufsicht zu gefährden.

Zielvorgabe 3: Transparentere und langfristigere Finanz- und Wirtschaftstätigkeit

Maßnahme 9: Offenlegung: Anleger und „Interessenträger“ sollen die „langfristige Wertschöpfung“ und „Exponierung gegenüber Nachhaltigkeitsrisiken“ von Unternehmen leichter bewerten können.

Maßnahme 10: Nachhaltige Unternehmensführung und kurzfristiges Denken am Kapitalmarkt. Unangemessener, kurzfristiger Druck der Kapitalmärkte erschwert langfristig ausgerichtete Unternehmensstrategien. Dadurch werden umweltrelevante und soziale Risiken für Unternehmen ignoriert.

Taxonomie und Umweltziele

Die Ausarbeitung eines Sustainable Finance-Klassifizierungsrahmens ist die Grundlage für die Entwicklung von weiteren Standards. Damit die Tätigkeiten von Unternehmen als „ökologisch nachhaltig“ klassifiziert werden, müssen vier von sechs Umweltzielen erfüllt werden. Dabei dürfen sie kein anderes Ziel „erheblich“ beeinträchtigen. Die Unternehmen müssen die „technischen Evaluierungskriterien“ dazu erfüllen und einen definierten Mindestschutz einhalten.

Die sechs Umweltziele:

(1) Klimaschutz: Vermeiden oder Verringern von Treibhausgasemissionen oder Stärkung deren Abbaus. (Erzeugung oder Nutzung erneuerbarer Energien, Investitionen in den Ausbau von Stromnetzen und von „sauberer Mobilität“)

(2) Anpassung an den Klimawandel: Verringern von “negativen Auswirkungen” des aktuellen oder künftig zu erwarteten Klimas und Verhindern einer Steigerung oder Verlagerung der negativen Auswirkungen des Klimawandels

(3) Nachhaltige Nutzung und Schutz von Wasser- und Meeresressourcen

(4) Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft, Abfallvermeidung und Recycling: Effiziente Nutzung von Rohstoffen in der Produktion und Verbesserung der Recyclingfähigkeit von Produkten

(5) Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung

(6) Schutz gesunder Ökosysteme: Schutz und Erhalt der biologischen Vielfalt, z.B. durch Naturschutz und nachhaltige Landbewirtschaftung

Technische Kriterien

Die entscheidenden technischen Kriterien legt die Kommission fest. Davon hängen die Auswirkungen auf die Finanzierungskosten ab. Aktuell noch offen ist, welche Beurteilungsskala Anwendung finden wird (z.B. Best of Class, Black List, Dual Use).

Das EU-Parlament möchte bis zum Jahr 2022 auf eine „schwarze Liste“ verzichten und schwächt die No-Harm-Policy im letzten Beschluss ab. Nicht-komplexe Banken erhalten Erleichterungen in den Veröffentlichungspflichten. Die Aufsichtsbehörden dürfen jedoch bei Verstößen Finanzprodukte vom Markt nehmen. Die Kommission hält eine Verschärfung des Mindestschutzes aber nicht für notwendig. Die sechs Umweltziele bleiben also unverändert.

Beratung

Bei der Beratung von Privatkunden sind von Seiten der Wertpapieraufsichtsbehörde ESMA Level 2-Änderungen der MiFID-, OGAW-, AIFM- und IMD-Richtlinien vorgesehen. So wurde im Mai 2018 die Finanzmarktrichtlinie MiFID II überarbeitet. Diese Maßnahme soll dazu beitragen, dass Berater zur Beurteilung der Eignung eines Finanzprodukts künftig auch Informationen über die Nachhaltigkeitspräferenzen des Kunden einholen müssen (ESMA 35-43-869).

Finanzexperten wie Christian Ossig, Hauptgeschäftsführer des Bankenverbandes, halten diesen Vorstoß für übereilt. Stattdessen solle die Kommission ihre Änderungswünsche besser in die bevorstehende Überprüfung von MiFID II einbringen. Weitere Einschätzungen und nächste Schritte sind abzuwarten.

Offenlegungsvorschriften

Ziel der Verordnung ist es, die existierenden Offenlegungsvorschriften neu zu justieren und zu erweitern. Von dieser Vorschrift sind Finanzmarktteilnehmer, Finanzberater und Investoren betroffen.

Finanzmarktteilnehmer und Finanzberater müssen potenzielle Anleger vor dem Abschluss eines Vertrags über die Verfahren und Bedingungen, die sie anwenden, informieren. Dadurch sollen Nachhaltigkeitsrisiken bei Anlageentscheidungen oder der Anlage- und Versicherungsberatung kommuniziert werden. Dies schließt auch mögliche Auswirkungen der Nachhaltigkeitsrisiken auf die Rendite der Finanzprodukte ein.

Die Regelung betrifft AIF OGAW, Risikokapitalfonds (EuVECA) und Fonds für soziales Unternehmertum (EuSEF). Ebenso Versicherungsunternehmen, die Versicherungsanlageprodukte anbieten und Anbieter von Altersvorsorgeprodukten, inkl.  Einrichtungen der betrieblichen Altersversorgung (EbAV) sowie Wertpapierfirmen, die Portfolioverwaltung anbieten. Beraterseitig betroffen sind Versicherungsvermittler, die Beratung zu Versicherungsanlageprodukten anbieten und Wertpapierfirmen, die Anlageberatung anbieten.

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