Die Schließungswelle von Bankfilialen reißt nicht ab. Häufig zitierte Studien und Umfragen ergeben ein unklares Bild davon, was Kunden eigentlich wollen. Der Tenor solchen gestützten oder spontanen Befragungen: Kunden gehen immer seltener in die Filialen, nutzen immer häufiger Online-Banking und die dazu passenden Apps – und wollen aber trotzdem in Zukunft nicht auf die Filialen verzichten.

Aktuell stehen Banken vor zwei großen Herausforderungen: Sie müssen sich digital weiterentwickeln und gleichzeitig ihre Filialen wieder attraktiv machen. Denn um Anlaufpunkt für die jüngere Generation zu sein, sind Innovation und digitale Services unerlässlich. Dabei dürfen die älteren Kunden aber keinesfalls verschreckt werden. Ein schwieriger Spagat, der in Anbetracht des Innovationsdrucks durch FinTechs auf der einen und Kostendrucks durch das Niedrigzinsumfeld auf der anderen Seite, nicht leichter wird.

Filialenzahl halbiert sich

Schaut man sich heute in Deutschland um, stellt man aber schnell fest, dass die Bankfilialen verschwinden. Und das in einem atemberaubend schnellen Tempo, eben, weil die Menschen seltener in Banken gehen. Dabei ist es egal, über welche Bank man spricht. Es betrifft alle.

Konkret wurden in den vergangenen zehn Jahren von 46.444 Filialen mehr als 12.000 geschlossen. Aktuell gibt es noch 34.000 Niederlassungen, und hier wird noch nicht das Ende erreicht sein. Es ist davon auszugehen, dass in den kommenden zehn Jahren weitere 13.000 Filialen wegfallen werden. Präsenz vor Ort kostet viel Geld, das zahlreiche Geldinstitute im aktuellen Niedrigzinsumfeld, mit dem aktuellen Geschäftsmodell, schlicht nicht mehr haben.

Es geht auch anders

Getrieben wird das Thema „Kosten“ aus verschiedenen Richtungen. Häufig ist das Filialnetz in eigenen Bestandsimmobilien untergebracht, die sich in einem durchaus modernisierungswürdigen Zustand befinden. Das betrifft nicht nur die Gebäudesubstanz, sondern vor allem auch die Gebäudeinfrastruktur aus Kundenbedarfs- und in technischer Hinsicht. Ein verändertes Geschäftsmodell erfordert flexible Mitarbeiter mit neuen Aufgabenfeldern. Dieser Wandel ist natürlich bereits seit Jahren im Gange. Aber der größte Treiber sind die Kosten. Stattdessen wäre ein Perspektivwechsel hilfreich: Den Fokus von den Kosten wieder auf zusätzliche und neue Ertragschancen zu lenken.

Eine der großen deutschen Geschäftsbanken schätzt, dass zumindest ein Viertel der Kunden einmal im Jahr eine Filiale aufsucht. In den Filialen werden dann meistens Beratungsleistungen nach Bankprodukten gefragt. Somit rechnen sich viele kleine Filialen nicht mehr, weil dort eben nicht umfänglich und regulatorikkonform beraten werden kann – oder man einen Termin Wochen oder gar Monate im Voraus vereinbaren muss.

Bankberater oder Barista?

Die Großbanken versuchen deswegen, ihre Filialen zu modernisieren, und experimentieren dazu in deutschen Großstädten. Diese neuen Filialen, so genannte “Flagship” (Flaggschiff) Filialen haben wenig mit dem zu tun, was man von einer Bankfiliale aus den neunziger Jahren in Erinnerung hat. Sind sie die Zukunft der Banken?

Der Vorraum ist herkömmlich gestaltet: Kontoauszugsdrucker und Geldautomaten bestimmen das Bild. Doch danach geht die schöne, neue Bankenwelt los. Am Empfang wird der Kunde an die richtige Stelle gelotst: entweder zu einem Bankberater oder zum Tresen. Doch statt sich dort die Beine in den Bauch zu stehen, zieht der Kunde eine Nummer und kann sich danach im Lounge-Bereich bei einem kostenlosen Kaffee die Zeit vertreiben. Auf bequemen Sofas kann der Kunde sein Handy aufladen oder mit dem Tablet Banking-Apps ausprobieren.

Ein deutlich angenehmeres Ambiente als es die Bankberatungszentren der 80er und 90er boten. Gelingt es aber, damit die Kunden häufiger in die Filialen zu ziehen? Ja. Die Investition in die neuen Räumlichkeiten brachte den Häusern eine Erhöhung der Beratungsfrequenz und eine Steigerung des Ertrages von bis zu 9% auf das Vorjahr, berichten Insider. “Vom Kunden her denken” könnte zu weiteren Ergebnissen führen.

Beratung „über den Tellerrand“

Robo-Advisor analysieren die Finanzen des Kunden sowie die Kapitalmärkte. Berater mit iPad besprechen sich mit Kunden und können bei Bedarf noch Experten auf einer Videoleinwand dazu schalten. Ob sich Spielereien wie ein Virtual-Reality-Stuhl, in dem man quasi digital über Berggipfel fliegen kann, auszahlen oder die Kunden doch überfordern werden, wird sich in den kommenden Jahren noch zeigen. Zwar sind etwa 70 Prozent der Deutschen bereit, einen Weg von 15 Minuten zur nächsten Bank in Kauf zu nehmen. Geht es um wichtigere Geldgeschäfte, es sogar 30 Minuten. Doch dafür muss sich der Weg in die Bankfiliale auch lohnen. Eine solche Filialdichte bieten derzeit nur noch wenige Anbieter.

Der Weg muss sich lohnen

Die Ausweitung der Beratungsfelder über das Zinsmargengeschäft hinaus ist eine mögliche Lösung für die Zukunft der Banken. Deckungsbeiträge generieren in den Geschäftsfeldern, die Eigenkapitalschonend wirken und sich nicht auf die Ausleihequoten auswirken, sind gefragt. Der effiziente und nachhaltige Ansatz Kundenberatung zu betreiben könnte bedeuten, sich zusätzlicher Instrumente zu bedienen. Und zwar Online und Präsenzvertrieb. Mit eigenen Mitarbeitern oder in Kooperation. Die Kooperation bietet die Zusatzchance die Regulatorik dort zu belassen wo die Produktverantwortlichkeit liegt. Auch deshalb können Versicherer in Zukunft wertvolle Partner für Banken sein.

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