Strukturwandel, Digitalisierung, Nullzinsphase: Schlagworte, die sich mittlerweile wie Schlingen um den Hals traditionsreicher deutscher Bankinstitute ziehen. Die Schließungswelle von Bankfilialen reißt nicht ab. Grund: das veränderte Kundenverhalten sowie ein massiver Ertragsrückgang durch den anhaltenden Nullzins. Lange hat die Commerzbank um ihren Verbleib gekämpft, doch nun ist es amtlich: Deutschlands zweitgrößte Bank fliegt aus dem DAX. Nutznießer des Rauswurfs ist ein neues Unternehmen, das gleichzeitig stellvertretend für den Umbruch im Bankenvertriebs steht. Banker sehen sich zunehmend einem Mentalitätswandel gegenüber: Weg von der bloßen Gewinnmaximierung, hin zur ganzheitlichen Finanzberatung des Kunden.

Wirecard: Mit digitalem Geschäftsmodell zur Dax-Reife

Hinter dem Underdog, der nun an die Stelle der Commerzbank gefolgt ist, steckt laut der FAZ das Unternehmen Wirecard aus Aschheim bei München. Das Unternehmen besteht gerade einmal aus 4.000 Mitarbeitern und weist eine Bilanz aus, die mit der großer Branchenkollegen kaum mithalten kann. Der Unterschied zur Commerzbank: Wirecard wächst seit Jahren schnell und profitabel. Zudem hat es genau das geschafft, womit sich die deutschen Banken seit Jahren schwertun:

„Ihr Geschäftsmodell überzeugend in eine digitale Bezahlwelt zu überführen und sich vom Vertrieb teurer Finanzprodukte in teuren Filialen ebenso unabhängig zu machen wie von den Launen des Investmentbankings.“

Bankenvertrieb im Umbruch: Trend zu ganzheitlicher Finanzberatung

Während sich neue Konkurrenten mit zeitgemäßen Geschäftsmodellen im Markt positionieren, taumelt der klassische Bankenvertrieb hierzulande und verharrt in Schräglage. Das Niedrigzinsumfeld hält die Märkte nach wie vor fest im Griff. Regulatorische Maßnahmen zur Stärkung des Eigenkapitals sowie die veränderte Wahrnehmung von Banken in der deutschen Öffentlichkeit führen zu einem erheblichen Kostendruck.

Vorbei die Zeiten, in denen Wertpapierberater als Superstars der Branche galten. Spätestens seit Ausbruch der Finanzkrise stehen klassische Anreizsysteme auf dem Prüfstand. Einstige Losung: Gewinnsteigerung mit Hilfe von Mitarbeitern, die durch regelmäßige Bonuszahlungen am Gewinn der Geldhäuser partizipierten. So zumindest sah es der klassische Bankenvertrieb vor: Nicht der Kunde stand bisher im Mittelpunkt, sondern die Gewinnmargen ihrer Häuser.

Im Zuge der Nullzinsphase und wachsender Regularien sind Institute und ihre Mitarbeiter nun gezwungen, den Bankenvertrieb neue aufzustellen, ja sogar von Grund auf neue zu denken. Einseitige Vermögensmaximierung wird für Kunden immer weniger attraktiv. Gewinnmargen werden kleiner. Größer entsprechend die Bereitschaft der Banken, sich mit Versicherungsprodukten ein zusätzliches Standbein zu schaffen.

Der anhaltende Nullzins, die Querelen um die Riesterrente sowie der mediale Abgesang auf Lebensversicherungen schürten Misstrauen und Verunsicherung unter den Kunden. Eine wachsende Klientele bevorzugt deshalb den ganzheitlichen Beratungsansatz, einen „Finanzarchitekten“, der ihre finanzielle Gesamtsituation im Blick behält. Experten sprechen bereits von der „Renaissance der Bancassurance“: Diese etabliert sich langsam aber beharrlich wieder im Bewusstsein des klassischen Bankenvertriebs. Viele Unternehmen sind allerdings in der Vergangenheit an dieser Idee gescheitert und verhalten sich deshalb noch zögerlich. Doch erste Startups haben sich bereits mit Integrationen von Bank- und Versicherungsleistungen positioniert und treiben somit die „Renaissance“ schrittweise voran. Eine Frage der Zeit, bis große Akteure nachziehen.

Bancassurance: Win-Win für Banken und Versicherer

 Das Filialsterben der Banken machen sich immer mehr Versicherer zu Nutze. Sie buhlen einerseits um das Knowhow traditioneller Bankberater. Sehr gut ausgebildet können sie sich aufgrund der thematischen Nähe schnell in ihr neues Versicherungsumfeld einarbeiten.

Auf der anderen Seite erwachsen neue Partnerschaften zwischen Versicherern und Banken, die dem ganzheitlichen Kundenberatungsansatz widerspiegeln. Das Beispiel Spanien zeigt, wohin der Weg im Versicherungsgeschäft für hiesige Banken gehen kann. Dort gehören die Geldinstitute bereits zum wichtigsten Vertriebsweg für spanische Versicherungen.  Allen voran: Die Sparte Lebensversicherung. Zu den Erfolgsfaktoren gehöre unter anderem „eine enge Verzahnung mit dem originären Bankgeschäft“, schreibt VersicherungswirtschaftHEUTE.

Bancassurance-Lösungen sind auch in Deutschland der richtige Schritt um im Bankenvertrieb weiterhin wettbewerbsfähig zu bleiben. Diese Ansicht vertritt auch Versicherungsexpertin Uta Niendorf im Interview mit VersicherungswirtschaftHEUTE:

„Die Idee einer digitalen Bancassurance-Lösung, die alle Kundenbedarfe der Anlage-, Vorsorge- und Absicherungslösungen auf einer Plattform abbildet, ist aus meiner Sicht der richtige Schritt in Richtung digitaler und integrierter Beratung für Finanzprodukte. Die klassische Trennung zwischen Bank- und Versicherungsprodukten wird so aufgehoben.“

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