Unter der Überschrift „Transparenz schaffen und Übersichtlichkeit verstärken“ möchte die Politik den Endkunden in die Lage versetzen, Finanzprodukte hinsichtlich Kosten, Risiken und Anlagepräferenz besser zu durchschauen. Dabei soll ein Kennzahlensystem helfen. Grundsätzlich ein ganz guter Gedanke. Allerdings gibt es hierbei ein altes Problem, das die Regulatorik nie wirklich aus der Welt schaffen konnte. Wenn nämlich von unterschiedlichen Finanzprodukten, Anlagepräferenzen oder Kostenverteilungsmänteln die Rede ist, kann ein einheitliches Kennzahlensystem womöglich nicht alle Fragen „fair“ beantworten. Ist eine Kennzahl im Falle A genauso zutreffend wie im Fall B? Im Bereich der Vorsorgeberatung ist dieser Mangel an Vergleichbarkeit seit vielen Jahren in besonderer Weise Grund für Diskussionen und Konfliktfelder.
Ein Instrument, zwei Maßstäbe
Hierzu ein Beispiel: Wirklich problematisch wird es, wenn etwa durch die Gewährung von Übergangsfristen eine Ablösung der Ausgangsbetrachtung eines bestimmten Instruments durch die Neubetrachtung verhindert und dieses Instrument damit plötzlich in zwei unterschiedlichen Risikoklassen fällt. Ein Ärgernis für die Berater solcher Anlageinstrumente. Und für den Kunden, der eben diese neugewonnene Transparenz feiern sollte, ein nicht zu verstehendes Phänomen. Gerne erläutere ich diesen Umstand aus der fachlichen Sicht ein wenig näher! Dazu nehme ich zwei Positionen der Betrachtung ein.
Gemessene Schwankungen
Die erste Sicht gilt vor allem für die Beratung und den Vertrieb von Investmentprodukten. Hier kommt der Synthetische Risiko- und Ertragsindikator (englisch: Synthetic Risk and Reward Indicator, kurz SRRI) ins Spiel. Der SRRI ist eine Kennzahl aus der Finanzwirtschaft, die als Indikator für die Höhe der Schwankungen eines Fonds steht. Der SRRI gibt den Risiko- und Ertragsindikator für Investmentfonds an und ist daher eine hilfreiche Kennzahl für Anleger. Anhand der Intensität der Wertschwankungen, die auch als Volatilität bezeichnet wird, kann geschlussfolgert werden, wie hoch das Risiko von Kursverlusten ist bzw. wie hoch die Chancen sind, Kursgewinne zu realisieren. Die Kennzahl wird nach europäischen und deutschen Vorschriften einheitlich berechnet und von den Fondsgesellschaften veröffentlicht. Der SRRI findet also in der Vermarktung von Investmentfondsprodukten (UCITS oder OGAV) statt.
Summenrisiko
Die zweite Sicht gilt vor allem den Versicherungsgesellschaften und deren Vorsorgelösungen. Darunter befinden sich zum Beispiel Packaged Retail and Insurance-based Investment Products (PRIIPs). Darunter versteht man verpackte Investmentprodukte mit Anlagerisiko, deren Wert sich von Referenztiteln ableitet und die Bestandteil vieler Finanzprodukte sind. Das Inkrafttreten der PRIIPs-Verordnung am 2. Januar 2018 sollte den Erwerb von PRIIPs für Anleger transparenter sein. Ab diesem Zeitpunkt muss für jedes PRIIPs-relevante Finanzinstrument das entsprechende Basisinformationsblatt (Key Information Documents – KIDs) vom Hersteller erstellt und von der Vertriebsstelle vorvertraglich an den Kunden ausgehändigt werden. Die Identifizierung PRIIPs-relevanter Finanzinstrumente mit den entsprechenden Informationen wie zum Beispiel den Summary Risk Indicator (SRI), die verfügbaren Informationsblätter (KID-Versionen), das Komplexitätskennzeichen (beziehungsweise den Warnhinweis) und weitere Stammdaten werden unter diesem Profil abgebildet.
Mit zweierlei Maß
Beide Indikatoren basieren auf einer sieben-stelligen Skala, leider aber mit unterschiedlichem Ergebnis. Ein Beispiel: Bei der Betrachtung eines Investmentfonds kommen unterschiedliche Systeme zum Einsatz, je nachdem, ob man ihn als Anlageinstrument im Rahmen einer Fondspolice oder als Direktinvestment betrachtet. Die Betrachtung nach SRRI ergibt zum Beispiel eine Vier, während die Betrachtung nach SRI eine Drei ergibt.
Die Auswirkung für Berater und Kunden:
Zwei unvergleichbare Betrachtungen werden durch die einheitliche Skalenbetrachtung optisch “gleich” gemacht. Dadurch geraten Berater und Kunden in eine übermäßig komplexe Gesprächssituation, die dem Kundenwunsch nicht gerecht ist.
Die Empfehlung an den Berater:
Unterwerfen Sie Ihren Beratungsprozess bereits bei der Erhebung und Einwertung von Wünschen & Zielen Ihrer Kunden einer einheitlichen Logik. Entscheiden Sie sich für die SRRI- oder die PRIIP-Betrachtung und halten Sie diese dann bis zum Abschluss durch. Auch in der Gesprächsdokumentation. So können Sie sicherstellen, dass Ihr Kunde nicht doch versucht, Regress zu nehmen, wenn die Anlage nicht wie gewünscht performed. Dort wird die „andere Betrachtung“ für den Berater spätestens zum Problem, wenn nämlich die ermittelte Risikoneigung nicht zum ermittelten Risikoniveau passt. Da die jeweils andere Betrachtung öffentlich jederzeit zugänglich ist, kann dieser ärgerliche Effekt auch schon sehr zeitnah nach dem Abschluss erfolgen. Um nachgehenden Fragen oder Problemstellungen aus dem Weg zu gehen oder sie gar vorweg zu nehmen, stellen wir als Bayerische natürlich beide Betrachtungen zur Verfügung.
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