Was ist geschehen? Seit Jahren geistern in Brüssel der Begriff und die Idee der EU-Taxonomie durch die Gänge der Behörden. Die Idee dahinter: mehr Nachhaltigkeit, mehr grüne Kapitalströme. Nun äußert sich die EZB-Präsidentin ganz deutlich für mehr Klimaschutz und möchte die Notenbank stärker in die Mitverantwortung für mehr Klimaschutz nehmen. Die Folgen für die innerhalb des Direktoriums ohnehin umstrittenen Anleihekäufe könnten weitreichend sein.
Quantitative Easing
Darunter versteht man die Liquiditätsversorgung der Märkte durch Anleihekäufe der Zentralbank. Diese Anleihekäufe sind eines der geldpolitischen Werkzeuge, die die Notenbank zur Verfügung hat, um ihren Auftrag der Inflationssicherung zu gewährleisten. Aufgrund der Rechtsposition und der Marktmacht, die eine Notenbank nun einmal innehat, könnten sich aus der Interaktion an den Märkten Ungleichgewichte und Marktverzerrungen ergeben. Um diese Art der negativen Verzerrungen zu verhindern, ist die Notenbank zur Marktneutralität verpflichtet. Die Funktion und die Transparenz des Marktes sollen durch den Big Player Notenbank nicht gefährdet oder gar aufgehoben werden. Bis jetzt zumindest sollen weder Staaten noch Unternehmen bevorzugt oder benachteiligt werden.
Lagarde hinterfragt Prinzip Marktneutralität der Notenbank
Während einer Veranstaltung der Finanzinitiative des Umweltprogramms der Vereinten Nationen (UNEP FI) äußert sich die Notenbankchefin, im Kontext Finanzmärkte und Klimaschutz, kritisch zur aktuellen Lage der Märkte. In ihren Antworten stellt Sie zum Beispiel die Frage, ob die aktuellen Klimarisiken durch Kapitalmärkte adäquat eingepreist werden, beziehungsweise überhaupt eingepreist werden können. Aus ihrer Sicht seien die Finanzmärkte heute nicht in der Lage, die Klimarisiken zu messen, geschweige denn adäquat einzupreisen. Mit diesem Hintergrund auf die Funktion von Märkten zu vertrauen, stellt Lagarde offen in Frage. „Angesichts der Beispiele für Marktversagen sollten wir uns die Frage stellen, ob Marktneutralität wirklich das Prinzip sein sollte, das das Management unseres geldpolitischen Portfolios leitet“, sagte Lagarde.
Lagarde sieht im Klimawandel einen Indikator, der mittelfristig die Stabilitätskriterien im Euroraum gefährden könnte. Damit gehört der Klimaschutz zur geldpolitischen Tagesordnung. Lagarde stellt deshalb fest: „Ich urteile nicht darüber, dass es nicht mehr so sein sollte, aber es rechtfertigt die Frage, und das ist etwas, das wir im Zuge unserer Strategieüberprüfung untersuchen werden.“
Klimawandel gewinnt Einfluss
Das Mitglied im EZB-Direktorium Isabel Schnabel hatte sich schon im Juli geäußert: „Man kann davon ausgehen, dass der Klimawandel, wenn man sich nicht schnell darum kümmert, die Wirtschaft in einer Weise trifft, die handfeste Risiken für die Preisstabilität auf mittlere und lange Sicht mit sich trägt.“
Es bleibt also festzuhalten: Der Klimawandel wird sicherlich den heute schon deutlich spürbaren Einfluss auf die Geld- und Kapitalmarktpolitik weiter ausbauen. Themen wie die EU-Taxonomie, die Diskussion um die Marktneutralität der EZB werden den Anlagedruck auf die nachhaltigen und grünen, klimaneutralen oder klimafreundlichen Anlagen erhöhen.